Carbonbeton Mittwoch, 19.10.2016
Chemiker der Universität Augsburg haben herausgefunden, wie sich mit gerichteten Carbon-Kurzfasern kostengünstig extrem fester Zement herstellen lässt.
Wissenschaftler am Lehrstuhl für Festkörperchemie der
Universität Augsburg berichten von einem einfachen und
ressourceneffizienten Verfahren, mit dem eine gezielte
Ausrichtung von Carbon-Kurzfasern in zementären Baustoffen
erreicht werden kann. Das mit diesem Verfahren erzeugte
Material weist eine außergewöhnliche Festigkeit auf, die den
eigentlich spröden Werkstoff „Zement“ in die Liga von zähen
high-performance Strukturbiomaterialien wie Knochen oder
Muschelschalen aufsteigen lässt. Das Material wurde mit der
Vision entwickelt, zukünftig auf eine Stahlarmierung von
Betonbauteilen verzichten zu können.
Beim
Gießen von faserbewehrtem Beton in Formen oder Schalungen
werden die Fasern stets zufällig orientiert. Da jedoch
tragende Strukturen von Gebäudekonstruktionen meist nur in
einer Richtung belastet werden, bleibt bei regelloser
Orientierung der Fasern ein großer Teil ihres Potenzials für
eine Festigkeitssteigerung ungenutzt. Würden hingegen alle
Fasern parallel entlang der Kraftlinien ausgerichtet, die
auf das Werkstück einwirken, könnten auch geringe und damit
ressourcenschonende Faserbeimischungen eine große Wirkung
zeigen.
Die Wissenschaftler
entwickelten ein "Düsenverfahren", bei dem die
Faser-Zementmasse durch eine enge Düse gepresst wird. Durch
eine entsprechende Anpassung des Düsenquerschnitts kann eine
Vorzugsausrichtung der Fasern beim Durchtritt durch die Düse
erzwungen werden. Die Carbon-Kurzfasern orientieren sich
dabei parallel zur Richtung der Mörtelmasse bei deren
Austritt durch die Düse. 3 Prozent Volumenanteile
gerichteter Carbon-Kurzfasern führen zu Biegezugfestigkeiten
von bis zu 120 Megapascal (MPa), ohne dass die
Druckfestigkeit negativ beeinflusst wird. Eine Betonprobe
ohne Faser- oder Stahlbewehrung weist lediglich 8 MPa
Biegezugfestigkeit auf. Das Material, dem die Forscher den
Namen FIBRACRETE gaben, weist ähnlich hohe Festigkeiten auf
wie das Hartgewebe von Säugetierknochen, das Wissenschaftler
aus aller Welt seit Jahrzehnten biomimetisch nachzuahmen
versuchen.
Vor einer praktischen Anwendung
müssen erst einmal technische Konzepte zur Übertragung des
Düsenverfahrens auf realitätsnahe Abmessungen von
Gebäudebauteilen entwickelt werden. Aber auch für dieses
Problem haben die Augsburger Wissenschaftler bereits eine
potentielle Lösung parat: Im 3D-Druck sehen sie in diesem
Kontext ein zukunftsträchtiges Konzept. Neben der Steigerung
der Biegezugfestigkeit haben die Carbonfasern das Potential,
eine elektrische Beheizbarkeit des Mörtels zu bewirken.
Abbildung
1 (oben): © IfP/Universität Augsburg - Mörtel mit parallel
ausgerichteten Carbon-Kurzfasern
(Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme). Innenbild:
Schematische Skizze des Düsenverfahrens zur Ausrichtung von
Carbon-Kurzfasern in Baustoffen.
Abbildung 2: © IfP/Universität Augsburg - Die
Messkurven (3 Punkte-Biegung) von Normalbeton, Mörtel mit
gerichteten Carbon-Kurzfasern, Knochenhartgewebe und
Buchenholz zeigen die vergleichsweise geringe Festigkeit von
Normalbeton.
19.10.2016/KK