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Lignin-Kohlestofffasern Freitag, 27.07.2018

Analyse und Datenbank zur Struktur- und Morphologie-Bildung der Kohlenstoff- und Graphitfasern.

Ein interdisziplinäres Team aus dem Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V. (IPF) legt eine umfassende Analyse und Datenbank zur Struktur- und Morphologie-Bildung der Kohlenstoff- und Graphitfasern aus organischen Polymerwerkstoffen vor („On the morphology and structure formation of carbon fibers from polymer precursor systems“).

Mit diesen Erkenntnissen besteht die Möglichkeit, neuartige und für diverse Leichtbauanwendungen, leistungsfähige, kostengünstige und zeitgleich massentaugliche Kohlenstofffasern auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen wie dem Holzstoff Lignin nachhaltig und zielgerichtet herzustellen. Profitieren davon können vor allem die Automobilindustrie und die Windenergie-Branche.

Aktuell werden Kohlenstofffasern für Verbundwerkstoffe überwiegend aus dem fossilbasierten Ausgangsstoff (Präkursor) Polyacrylnitril (PAN) oder aus Pech gewonnen. Diese Abhängigkeit vom Erdöl und der bisher etablierten produktionseinschränkenden Herstellungstechnologien, wie z. B. Nassspinnverfahren sowie konventionelle oxidativ-thermische Stabilisierungsmethoden, und der damit verbundene hohe Materialpreis sowie die limitierte Verfügbarkeit führen dazu, nach Alternativen sowohl werkstofflich als auch herstellungstechnisch zu suchen. Von besonderem Interesse für die Kohlenstofffasergewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen ist dabei Lignin, welches ca. 20 bis 30 Prozent der Trockenmasse verholzter Pflanzen ausmacht und als Nebenprodukt der Papierindustrie ausfällt.

Das Forscherteam beleuchtete erstmals die Umwandlungsmechanismen der organischen teilkristallinen Polymerwerkstoffe zu einem definierten faserförmigen Gerüst. Kennzeichnend für das Gerüst sind die kohlenstoffbasierten Kristalliten mit definierter Orientierung entlang der Faserachse, einem Porensystem mit definierten Dimensionen, spezifischer Oberfläche sowie definiertem Kippwinkel der Porenhauptachse zur Faserachse. Aus der jetzt veröffentlichten kritischen Bewertung der Struktur- und Morphologie-Bildung wurden bestimmende Schlüsselmerkmale identifiziert, um definierte kohlenstoffbasierte Strukturen für kostengünstige Kohlenstofffasern auf Basis von nachwachsenden Polymerwerkstoffen, wie z. B. Lignin, Cellulose und dem strukturell ähnlich aufgebauten Chitin, darzustellen.

Damit kann eine gewünschte mechanische Performance der Kohlenstofffasern erreicht werden, in dem die Strukturbildung der Kohlenstoffkristallite und die begleitenden Porensysteme entlang der Faserachse kontrolliert eingestellt werden.

Die technische Umsetzung zu neuen Lignin-basierten Kohlenstofffasern mit Hilfe eines Präkursor-angepassten speziellen hochskalierbaren Faserspinnverfahrens erfolgt nach ersten Vorversuchen zurzeit in enger Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Tampere (Tampere, Finnland). Ziel ist dabei die Darstellung eines industrialisierbaren bzw. hochskalierbaren Prozesses, Lignin auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse so aufzuarbeiten, dass daraus eine leistungsgerechte, kostengünstige sowie massentaugliche Kohlenstofffaser entsteht.

Federführend wird die komplexe Themenstellung des Projektes von Herrn M. Sc. Muhannad Al Aiti als Teil seiner Promotionsarbeit bearbeitet, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden und als Gastwissenschaftler/Doktorand am Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V. bei Professor Gert Heinrich promoviert.

Die umfassende Analyse und Datenbank zur Struktur- und Morphologie-Bildung der Kohlenstoff- und Graphitfasern aus organischen Polymerwerkstoffen wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Progress in Materials Science“ veröffentlicht („On the morphology and structure formation of carbon fibers from polymer precursor systems“). Mit einem CiteScore-Indikator für das Jahr 2017 von 30,87 kommt die Fachzeitschrift nach Angaben des Portals Scopus® (Elsevier B.V.) auf den zweiten Rang aller internationalen Fachzeitschriften im Bereich der Werkstoffwissenschaften.

In engem Zusammenhang mit der Publikation hält Herr Al Aiti zum diesjährigem 57. Dornbirn Global Fibers Congress (57. Chemiefasertagung Dornbirn, 12.-14. September 2018) in Dornbirn, Österreich, einen eingeladenen Vortrag zur zielgerichteten Herstellung von Kohlenstofffasern auf Basis von Lignin.

 

 

Für Rückfragen:

M. Sc. Muhannad Al Aiti
Carbon Fibers Research: Melt Spinning / Pseudo-Melt Spinning
E-Mail: aiti(at)ipfdd.de 

Prof. Dr. rer. nat. habil. Gert Heinrich
E-Mail: gheinrich(at)ipfdd.de

 

Bildquelle: Reprinted from Publication “On the morphology and structure formation of carbon fibers from polymer precursor systems”, Muhannad Al Aiti; Dieter Jehnichen; Dieter Fischer; Harald Brünig and Gert Heinrich, Copyright (2018), with kind permission from Elsevier. Permission was obtained by the  Copyright Clearance Center, Inc.

 

erstellt von AK
eingestellt von AK - 27.07.18