Lebensdauer vorhersagen Samstag, 20.03.2021
Fraunhofer LBF koppelt Experiment und Modellierung.
Kunststoffe haben Stress mit ihrer Umwelt: Wechselnde Temperaturen, Sonnenstrahlung, Feuchte, chemische Substanzen und mechanische Belastungen setzen ihnen zu und verändern die Materialeigenschaften. Um die Risiken beim Einsatz neuer Materialien oder bei geänderten Betriebsbedingungen zu minimieren, sind belastbare Aussagen zur Lebensdauer erforderlich. Voraussetzung hierfür sind neben Prüfmethoden, die Schädigungen frühzeitig erkennen, geeignete Alterungs- und Versagensmodelle sowie anwendungsrelevante Schadenskriterien. Um die Material- und Bauteilentwicklung zu beschleunigen, ist es zudem von Vorteil, die Dauer der Prüfzyklen, der Klimalagerung oder der Laborbewitterung zu verkürzen. Forscherteams aus dem Bereich Kunststoffe des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF entwickeln maßgeschneiderte Prüfmethoden und koppeln diese mit Modellierungssoftware zur Lebensdauervorhersage für komplexe Einsatzszenarien. Das Resultat sind kürzere Entwicklungszeiten und ein verringertes Ausfallrisiko im späteren Einsatz.
Um die Betriebssicherheit von Kunststoffbauteilen zu garantieren, sind belastbare Aussagen zur Lebensdauer erforderlich, die den konkreten Anwendungsfall so gut wie möglich widerspiegeln müssen. Beispiele sind Kunststoffe und polymerbasierte Beschichtungsmaterialien im Außenbereich, Bauteile unter stark wechselnden thermischen und mechanischen Lasten oder Druckbehälter für organische Flüssigkeiten bei hohen Temperaturen. Besonders wichtig ist eine zuverlässige Lebensdauervorhersage für sicherheitsrelevante Kunststoffanwendungen wie Gefahrstoffbehälter, tragende Bauteile oder Injektionsdübel für lasttragende Befestigungen.
Verbesserte experimentelle Verfahren und
Software-Tools
Für die Material- und Produktentwicklung sowie zur
Verringerung der Versagenswahrscheinlichkeit im Einsatz sind
zeit- und kostenaufwendige Tests erforderlich. Der
Beschleunigung solcher Versuche durch erhöhte Temperaturen,
Umgebungsfeuchte, Bestrahlungsstärke oder kürzere Prüfzyklen
sind Grenzen gesetzt. Noch schwieriger ist es, Alterung und
Versagen für neue Betriebszyklen oder für den Einsatz unter
veränderten Umgebungsbedingungen vorherzusagen.
Im
Bereich Kunststoffe des Fraunhofer LBF arbeiten
interdisziplinäre Teams eng zusammen, um die
Alterungsvorgänge und Versagensmechanismen von Kunststoffen
besser zu verstehen und die zugehörigen Material- und
Lebensdauermodelle zu verbessern. Ziel sind optimierte
Prüfverfahren und Software-Tools zur Lebensdauervorhersage
für komplexe Einsatzszenarien. Indem sie
Alterungsexperimente und Modellierung koppeln, können die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer LBF
Lebensdauer und Versagensrisiko für vorgegebene Einsatzfälle
besser abschätzen. Durch Superposition von
aufeinanderfolgenden Temperatur-, Feuchte-, Bestrahlungs-
und mechanischen Lasten können sie nahezu beliebige
Szenarien nachstellen. Als Eingangsgrößen dienen dabei
zeitaufgelöste Messdaten für verschiedene Betriebszustände,
Wetterdaten oder hypothetische Einsatzszenarien.
Kürzere Entwicklungszeiten und verringertes
Ausfallrisiko
Am Fraunhofer LBF steht hierfür eine Toolbox
bestehend aus Klimalagerung und Bewitterung, vielfältigen
Mess- und Prüfmethoden, einer breit gefächerten chemischen
Analytik und anpassbaren Alterungs- und Lebensdauermodellen
zur Verfügung. Die Vorgehensweise lässt sich direkt mit der
Bauteilauslegung mit FE-Methoden koppeln. Gemeinsam mit
Industriepartnern passen die Darmstädter Forschenden diese
an die jeweilige Fragestellung an und begleiten die
Überführung in bestehende Abläufe und vorhandene
Infrastruktur. Das Resultat sind anwendungsbezogene
Prüfvorschriften, kürzere Entwicklungszeiten und ein
verringertes Ausfallrisiko im späteren Einsatz. Zielgruppe
sind Hersteller und Anwender von Kunststoffkomponenten und
-bauteilen sowie polymerbasierten Beschichtungsmaterialien
in nahezu allen Wirtschaftsbereichen.
Praxisbezogener Austausch mit Experten
Das virtuelle Seminar zu »Lebensdauer von
Kunststoffen effizient vorhersagen: Kopplung von Experiment
und Modellierung« am 6. Mai 2021, 9.00 bis 15.00 Uhr,
richtet sich an Interessenten aus allen Bereichen der
Entwicklung, Berechnung und Prüfung von Kunststoffen.
Foto: Fraunhofer LBF/Raapke - Laborbewitterung von Kunststoffbauteilen im Fraunhofer LBF.
AK
1.3.21