Das 3D-Verfahren bietet hohe Zeit- und Kostenvorteile, um keramische Prüfkörper auswerten zu können. Es eröffnet aber auch Materialkombinationen gegenüber den klassischen Fertigungsstrategien. Im Fokus stehen dabei technische Keramik, aber auch medizinische Anwendungen.
Beschleunigung der Forschung durch 3D-Rapid Prototyping
Das CEM-Verfahren, als ein Ansatz des 3D-Druckens, ist die Ergänzung des konventionellen CIM-Verfahrens (Keramischer Spritzguss). Wegen des werkzeuglosen Bauteilaufbaus ergeben sich hohe Zeiteinsparungen oder enorme Kostenvorteile. Was im Prototyping bereits überzeugt, ist bei der Prüfkörperherstellung zur Materialerprobung besonders wichtig – neue keramische Werkstoffe können so schneller bewertet werden. Auch neue keramische Granulatrezepturen können rascher entwickelt werden. Die CEM-Technologie macht das FGK aber auch unabhängig von der Industrie, da keine Formen und Kapazitäten für Prüfkörper dort abgerufen werden müssen, sondern durch den 3D-Druck autark wird.
Hybride Bauteile: Keramische Mehrkomponententechnik
Projektingenieur Murat Demirtas: „Der eigentliche Charme dieses CEM-Verfahrens von AIM3D ist die Flexibilität. Der Multimaterialdrucker ExAM 255 erlaubt Kombinationen von Keramik/Keramik, Keramik/Polymere oder Keramik/Metall. Hybride Bauteile erweitern die Bauteileigenschaften als funktionales Design enorm.“ Dies bedeutet konkret die Kombination verschiedener Keramiken in einem Bauteil, aber auch die Kombination von anderen Werkstoffklassen in einem Bauteil, um bestimmte Eigenschaften in einem Bauteil abzubilden. Ebenfalls möglich werden Bauteile, die als volumiger Grundkörper im CIM-Verfahren entstehen, und mit einer kleineren Komponente im CEM-Verfahren bedruckt werden. Interessant ist auch die Kombination von Keramik zur elektrischen Isolation und Metall für die Leitfähigkeit. Dies ermöglicht MID-Ansätze (Multi Integrated Devices). Natürlich können auch die Leistungseigenschaften eines Bauteils erhöht werden. Mögliche Parameter sind variable Korngrößen, bestimmte Oberflächen-Charakteristika, aber auch bestimmte chemische (Medienresistenz), elektrische (Leitfähigkeitsfakor) oder thermische (Temperaturbeständigkeit) Eigenschaften. Der 3D-Druck im CEM-Verfahren eröffnet eine Matrix der Möglichkeiten durch materialhybride und verfahrenshybride Lösungen.
3D-Konstruktion eines keramischen Bauteils mit FEA
Die Konstruktion eines 3D-Bauteils ist bereits Teil der digitalen Prozesskette. Die ursprüngliche Geometrie eines 3D-Bauteils wird durch Iteration mittels Finite Elemente Analyse (FEA) optimiert (Bild 10). Durch Simulation der Belastungszonen innerhalb des Bauteils wird die Optimierung des Bauteils schrittweise vorangetrieben. Neue angepasste Iterationen des 3D-Bauteils ergeben sich auch wegen Schrumpf der Keramik über die thermische Prozessführung. Von zentraler Bedeutung ist die Topologie: So werden Gitterstrukturen möglich, die Gewicht einsparen, dabei aber die Festigkeit gewährleisten. Murat Demirtas: „Die Werkzeuge der Finite Elemente Analyse ermöglichen es ein Bauteildesign bestmöglich auf eine Anwendung hin zu designen. Dabei werden Aspekte der Bionik, Topologie, Materialeinsparungen und Leistungscharakteristika kombiniert.“
Vorteile des 3D-Druckens für Technische Keramik
Das CEM-Verfahren von AIM3D basiert auf der Verwendung konventioneller Granulate oder Pulver mit hohen Preisvorteilen gegenüber Filamenten. Für den Feedstock ergeben sich Preisvorteile bis zum Faktor 10. Zudem werden bionische Strukturen mit unterschiedlichen Dichten möglich. Auch die Reduzierung von Spannungen im Bauteil eröffnen Vorteile gegenüber einem konventionellen CIM-Verfahren. Die Teile können nun leichter sein und zudem Material einsparen. Der Ressourcenverbrauch, verglichen mit dem Fräsen oder Gießen, ist ein klarer Vorteil einer 3D-Druck-Strategie. Durch den 3D-Druck werden aber auch Geometrien möglich, die konventionell nicht realisierbar sind, wie besondere Hinterschnitte oder bionische Konstruktionsansätze. Ein wesentlicher Vorteil ist zudem die „One-Shot-Technik“: Ein Bauteil wird sukzessive aufgebaut ohne Montageaufwand, auch mit Funktionsintegration. Ein konventionelles Bauteil kann somit im 3D-Druck durch Reengineering konstruktiv und funktional optimiert werden. Die Forschung am FGK ist natürlich breit gefächert: Sie dient auch der Werkstoffforschung, der Topologie-Optimierung mit dem Abbau von Spannungen im Bauteil, aber auch Funktionssteigerung und -integration, sowie das Maßschneidern der Oberflächengüte (Porosität).
Forschung am FGK
Das FGK-Institut betreibt mittels verschiedener Verfahrenstechnologien, darunter auch das CEM-Verfahren, Werkstoffanalysen, aber auch Granulat-Entwicklungen, wie neue „Rezepturen“. Ziel ist es, den Werkstoff Keramik in seiner Leistungsfähigkeit weiter zu entwickeln. Dies wird ergänzt durch die Suche nach neuen Anwendungsbereichen für keramische oder auch hybride 3D-Bauteillösungen. Zu den Tätigkeiten gehören auch werkstoffliche Dienstleistungen im Auftrag der Industrie oder Beratungen entlang der Prozesskette. Das FGK ist damit ein Moderator zwischen Rohstoffherstellern, Anlagenbauern und der verarbeitenden Industrie.
Anwenderbranchen von keramischen Bauteilen
Keramische Bauteile spielen eine große Bedeutung bei medizinischen Implantaten, da hier die Biokompatibilität in Kombination mit Festigkeit genutzt werden kann. Offenporöse Strukturen eignen sich hier besonders gut zur Aufnahme im Gewebe. Selektive Dichten sparen Material oder Gewicht und erzeugen gewünschte E-Module. Kerngebiet ist aber die Technische Keramik. Je nach Anwendung kann eine keramische Lösung folgende Charakteristika aufweisen: Hitzebeständigkeit bis weit über 1000 °C, elektrische Isolation, hohe Dielektrizitätskonstanten, hohe Abrieb- und Verschleißfestigkeit, Härtegrade, variable Wärmeleitfähigkeit, niedrige Dichte oder auch geringe thermische Ausdehnung, um nur einige Stichworte des vielseitigen Werkstoffes zu nennen. Anwendungsgebiete sind beispielweise Heizelemente, Zündkerzen, Hochspannungselemente, elektronische Schaltungen, Keramikkondensatoren mit hoher Volumenkapazität, Gleitflächen, Düsen zum Laser- und Wasserstrahlschneiden (Schneiddüsen), Gleitlager in Pumpen, Kolben und Zylinder, pulverbeschichtete Metallflächen, Kugellager, Verwendung als Schneidstoff (Schneidkeramik), bei der spanenden Bearbeitung, Beschichtung von Pumpen in der Chemischen Industrie, sowie die genannten Implantate in der Medizintechnik. Daneben spielt die nichttechnische Keramik natürlich eine Rolle in der Gebrauchskeramik (u.a. Porzellan), bei Fliesen oder Sanitärobjekten, allerdings kaum im Bereich des 3D-Drucks aufgrund der Bauteilvolumina bzw. der Losgrößen.
Bildquelle: AIM3D – Bauraum einer ExAM 255
AK
24.1.23