BVerfG zum Klimaschutz

Regelungen des deutschen Klimaschutzgesetzes mit Grundrechten unvereinbar.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Regelungen des deutschen Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019 über die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen. Im Übrigen wurden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden seien durch die Klimaschutz-Bestimmungen in ihren Freiheitsrechten verletzt. Die Vorschriften verschöben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030. Dass Treibhausgasemissionen gemindert werden müssen, folget auch aus dem Grundgesetz. Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG sei dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten „Paris-Ziel“ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um das zu erreichen, müssten die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten sei praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht seien. Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern. Zu dem danach gebotenen rechtzeitigen Übergang zu Klimaneutralität würden die gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des Reduktionspfads der Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031 nicht ausreichen.Der Gesetzgeber wird verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln.Soweit die Beschwerdeführenden natürliche Personen sind, sind ihre Verfassungsbeschwerden zulässig. Die beiden Umweltverbände sind hingegen als selbsternannte „Anwäte der Natur“ nicht beschwerdebefugt. Eine solche Beschwerdebefugnis sehen das Grundgesetz und das Verfassungsprozessrecht nicht vor.Dass die bestehenden Schutzpflichten des Staates wegen der Gefahren des Klimawandels verletzt sind, könne grundsätzlich nicht festgestellt werden.Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen. Da infolge des Klimawandels Eigentum, zum Beispiel landwirtschaftlich genutzte Flächen und Immobilien, etwa aufgrund steigenden Meeresspiegels oder wegen Dürren Schaden nehmen können, schließt auch das Grundrecht auf Eigentum eine Schutzpflicht des Staates hinsichtlich der Eigentumsgefahren des Klimawandels ein.Eine Verletzung dieser Schutzpflichten ließe sich angesichts des dem Gesetzgeber bei der Erfüllung zukommenden Spielraums nicht feststellen. Es könne offen bleiben, ob grundrechtliche Schutzpflichten den deutschen Staat auch gegenüber den in Bangladesch und Nepal lebenden Beschwerdeführenden verpflichten, gegen diese drohenden und bereits eingetretenen Beeinträchtigungen durch den globalen Klimawandel vorzugehen. Denn die Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht könnte im Ergebnis auch insoweit nicht festgestellt werden.Grundrechte seien aber dadurch verletzt, dass die bis zum Jahr 2030 zugelassenen Emissionsmengen die nach 2030 noch verbleibenden Emissionsmöglichkeiten erheblich reduzieren und dadurch praktisch jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit gefährdet wäre. Als intertemporale Freiheitssicherung schützen die Grundrechte die Beschwerdeführenden hier vor einer umfassenden Freiheitsgefährdung durch einseitige Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Der Gesetzgeber hätte Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität treffen müssen, an denen es bislang fehlt.Die angegriffenen Regelungen würden eingriffsähnliche Vorwirkung aktueller Emissionsmengenregelungen auf die durch das Grundgesetz umfassend geschützte Freiheit entfalten. Vorschriften, die jetzt CO2-Emissionen zulassen, begründeten eine unumkehrbar angelegte rechtliche Gefährdung künftiger Freiheit, weil sich mit jeder CO2-Emissionsmenge, die heute zugelassen wird, die in Einklang mit Art. 20a GG verbleibenden Emissionsmöglichkeiten verringern; entsprechend werde CO2-relevanter Freiheitsgebrauch immer stärkeren, auch verfassungsrechtlich gebotenen Restriktionen ausgesetzt sein, bis hin zur Unterbindung. Der Klimaschutzauftrag des Art. 20a GG habe eine besondere internationale Dimension. Art. 20a GG verpflichtet den Staat, eine Lösung des Klimaschutzproblems gerade auch auf überstaatlicher Ebene zu suchen. Der Staat könnte sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen. Das Klimaschutzgesetz genüge bislang nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts. Der Gesetzgeber müsse jedenfalls die Größe der festzulegenden Jahresemissionsmengen für Zeiträume nach 2030 selbst bestimmen oder nähere Maßgaben zu deren konkreten Bestimmung durch den Verordnungsgeber treffen.