Carbonbeton

Chemiker der Universität Augsburg haben herausgefunden, wie sich mit gerichteten Carbon-Kurzfasern kostengünstig extrem fester Zement herstellen lässt.

Wissenschaftler am Lehrstuhl für Festkörperchemie der Universität Augsburg berichten von einem einfachen und ressourceneffizienten Verfahren, mit dem eine gezielte Ausrichtung von Carbon-Kurzfasern in zementären Baustoffen erreicht werden kann. Das mit diesem Verfahren erzeugte Material weist eine außergewöhnliche Festigkeit auf, die den eigentlich spröden Werkstoff „Zement“ in die Liga von zähen high-performance Strukturbiomaterialien wie Knochen oder Muschelschalen aufsteigen lässt. Das Material wurde mit der Vision entwickelt, zukünftig auf eine Stahlarmierung von Betonbauteilen verzichten zu können.
 
Beim Gießen von faserbewehrtem Beton in Formen oder Schalungen werden die Fasern stets zufällig orientiert. Da jedoch tragende Strukturen von Gebäudekonstruktionen meist nur in einer Richtung belastet werden, bleibt bei regelloser Orientierung der Fasern ein großer Teil ihres Potenzials für eine Festigkeitssteigerung ungenutzt. Würden hingegen alle Fasern parallel entlang der Kraftlinien ausgerichtet, die auf das Werkstück einwirken, könnten auch geringe und damit ressourcenschonende Faserbeimischungen eine große Wirkung zeigen.  
 
Die Wissenschaftler entwickelten ein „Düsenverfahren“, bei dem die Faser-Zementmasse durch eine enge Düse gepresst wird. Durch eine entsprechende Anpassung des Düsenquerschnitts kann eine Vorzugsausrichtung der Fasern beim Durchtritt durch die Düse erzwungen werden. Die Carbon-Kurzfasern orientieren sich dabei parallel zur Richtung der Mörtelmasse bei deren Austritt durch die Düse. 3 Prozent Volumenanteile gerichteter Carbon-Kurzfasern führen zu Biegezugfestigkeiten von bis zu 120 Megapascal (MPa), ohne dass die Druckfestigkeit negativ beeinflusst wird. Eine Betonprobe ohne Faser- oder Stahlbewehrung weist lediglich 8 MPa Biegezugfestigkeit auf. Das Material, dem die Forscher den Namen FIBRACRETE gaben, weist ähnlich hohe Festigkeiten auf wie das Hartgewebe von Säugetierknochen, das Wissenschaftler aus aller Welt seit Jahrzehnten biomimetisch nachzuahmen versuchen.
 
Vor einer praktischen Anwendung müssen erst einmal technische Konzepte zur Übertragung des Düsenverfahrens auf realitätsnahe Abmessungen von Gebäudebauteilen entwickelt werden. Aber auch für dieses Problem haben die Augsburger Wissenschaftler bereits eine potentielle Lösung parat: Im 3D-Druck sehen sie in diesem Kontext ein zukunftsträchtiges Konzept. Neben der Steigerung der Biegezugfestigkeit haben die Carbonfasern das Potential, eine elektrische Beheizbarkeit des Mörtels zu bewirken.


Abbildung 1 (oben): © IfP/Universität Augsburg – Mörtel mit parallel ausgerichteten Carbon-Kurzfasern (Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme). Innenbild: Schematische Skizze des Düsenverfahrens zur Ausrichtung von Carbon-Kurzfasern in Baustoffen.







Abbildung 2: © IfP/Universität Augsburg – Die Messkurven (3 Punkte-Biegung) von Normalbeton, Mörtel mit gerichteten Carbon-Kurzfasern, Knochenhartgewebe und Buchenholz zeigen die vergleichsweise geringe Festigkeit von Normalbeton.




19.10.2016/KK