OECD-Studien zur Berufsbildung – Lernen für die Arbeitswelt: Schwerpunktstudie Deutschland

Aktuell hat die OECD die Studie „Lernen für die Arbeitswelt – OECD-Studien zur Berufsbildung“ für Deutschland vorgelegt. Sie erörtert die wichtigsten Herausforderungen, vor denen das deutsche Berufsbildungssystem aus Sicht der OECD steht und gibt entsprechende Handlungsempfehlungen für die Politik.

Zentrale Ergebnisse:



Die OECD sieht im deutschen Berufsbildungssystem zahlreiche Stärken: Die Berufsbildung genieße ein hohes Ansehen, umfasse ein breites Spektrum an Berufen und passe sich flexibel an sich wandelnde Arbeitsmarkterfordernisse an. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die Strukturen des dualen Systems auch auf Berufe übertragen wurden, die in anderen Ländern einer Ausbildung im Tertiärbereich zugeordnet sind. Das duale System verbinde besonders gut Lernen im Betrieb mit Lernen in der Schule für einen erfolgreichen Übergang in Beschäftigung – mit der positiven Folge, dass Deutschland sich durch eine im internationalen Vergleich geringe Jugendarbeitslosigkeit auszeichnet. Eine der größten Stärken ist lt. OECD das hohe Maß an aktivem Engagement der Arbeitgeber, die gerade auch während der Wirtschaftskrise das betriebliche Ausbildungsengagement aufrechterhalten haben.


Herausforderungen sieht die OECD insbesondere im Übergangssystem, das unter Fragmentierung und fehlender Transparenz leide. Trotz umfangreicher Mittel und Maßnahmen gelinge daher der Übergang im Anschluss in reguläre Ausbildung nur selten. Zahlreiche Schulabgänger verfügten nur über unzureichende Basiskompetenzen, so dass ihnen der Übergang in Ausbildung nicht gelinge. Dem Berufsbildungssystem fehlten die Möglichkeiten, diese Defizite zu erkennen bzw. sie zu beheben. Durch die Kammerprüfung am Ende der Ausbildung würden Berufsschulleistungen nicht berücksichtigt, so dass Schüler den Berufsschulunterricht vernachlässigen. Die neuen Möglichkeiten, um von beruflichen Bildungsgängen in die Tertiärbildung überzuwechseln, würden nur unzureichend genutzt.


Ungenügend sei auch die Berufsinformation und -beratung; es gäbe keine allein zuständige Stelle für alle Schüler und die Qualität der Angebote sei sehr unterschiedlich. Auf dieser Basis spricht die OECD folgende Empfehlungen aus:

  • In jedem Bundesland soll ein Koordinierungsausschuss für das Übergangssystem eingerichtet werden. Dadurch soll das Übergangssystem transparenter gestaltet werden. Nach Prüfung der Kosteneffizienz der Maßnahmen sollen die besten Initiativen bundesweit eingeführt werden. Dabei soll auch hier der duale Ansatz konsequent verfolgt werden. Zudem soll die Zusammenarbeit der Akteure im Übergangssystem verbessert bzw. Zuständigkeiten klarer geregelt werden.
  • Das Bildungs- und Beratungsberatungssystem soll gestärkt werden. Die federführende Verantwortung soll einer einzigen staatlichen Stelle übertragen werden. Die Beratung sollte proaktiv gestaltet sein, in einem frühen Stadium einsetzen und unabhängig sein. Auch sollte für Schüler der Kontakt mit der Arbeitswelt vorgesehen werden. Auf längere Sicht soll eine strukturelle Reform des dualen Systems in Erwägung gezogen werden (z.B. Bildung von mehr Berufsgruppen), um die erfolgreiche Berufswahl zu erleichtern.
  • Vor Eintritt in das Übergangssystem und in Ausbildung (bei Hauptschulabsolventen) soll eine Prüfung erfolgen, die Kompetenzlücken ermittelt. Diese Lücken sollen durch Unterricht in den Basiskompetenzen ausgeglichen werden. Insgesamt sollte in der Berufsschule mehr Wert auf die Allgemeinbildung und die Entwicklung allgemeiner Kompetenzen gelegt werden. Angedacht wird auch die Einführung eines Ausbildungsvorbereitungsjahres für alle Neuzugänge zum dualen System, die kein Abitur haben. Auch sollten die Chancen modularer Strukturen (d.h. die Nutzung von Ausbildungsbausteinen) weiter untersucht werden, um leistungsschwächeren Jugendlichen den Einstieg zu erleichtern.
  • Die in der Berufsschule erzielten Abschlussnoten sollen im Kammerzeugnis vermerkt werden und die Abschlussprüfung der Berufsschulen sollte eine explizite Beurteilung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen beinhalten. Auf längere Sicht sollte die Prüfung der Kammern mit der Abschlussprüfung der Berufsschulen zusammengelegt werden – auch um die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Arbeitgebern zu stärken.
  • Der Zugang zur Tertiärbildung sollte weiter erleichtert werden – z.B. durch Abschaffung des Erfordernisses der Berufserfahrung zwischen Ausbildung und Studium. Für Berufsbildungsabsolventen sollten geeignete Beratungs-, Einführungs- und finanzielle Unterstützungsmaßnahmen entwickelt werden; duale Studiengänge, flexiblere Teilzeitstudienmöglichkeiten und die Anerkennung bereits erworbener Kompetenzen und Berufserfahrungen sollten gefördert bzw. erleichtert werden.



Lernen für die Arbeitswelt – OECD-Studien zur Berufsbildung Deutschland, Stand September 2010 >