Rechtsauswirkungen der harmonisierten Einstufung
Die Einstufung eines Stoffes oder eines Gemisches hat im EU-weiten und nationalen Recht erheblichen Einfluss auf weitere Rechtsbereiche.
Viele Rechtsbereiche (z. B. Seveso-Richtlinie) greifen unmittelbar und automatisch auf das ursprünglich für den Verbraucherschutz entwickelte Einstufungs- und Kennzeichnungssystem zurück, wenn es dort um die Festlegung von spezifischen Schutzmaßnahmen geht. Verschärfungen bei der Einstufung führen dann automatisch zu Verschärfungen bei diesen bezugnehmenden Rechtsbereichen. In der Folge können z. B. kostenträchtige Nachrüstungen bei Anlagen fällig werden. Dabei wird nur ungenügend berücksichtigt, dass die Einstufungskriterien der CLP-Verordnung nur auf den Stoffeigenschaften beruhen und die tatsächliche Gefährdung durch die Stoffverwendung unbeachtet bleibt. Dadurch ist ein ungerechtfertigter Automatismus zwischen der CLP-Einstufung und der Festlegung von Maßnahmen entstanden, ohne dass Risikobetrachtungen genügend berücksichtigt werden. Überzogene Anforderungen sind häufig die Folge.
Derzeit wird die Bewertung des Dossiers zu Ethanol nach der Biozidprodukte-Verordnung (EU) Nr. 528/2012 für die Verwendung von Ethanol als biozider Wirkstoff durchgeführt. Griechenland ist hierfür der berichterstattende Mitgliedsstaat. Da für biozide Wirkstoffe in der Regel eine harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung vorgesehen ist, wird auf EU-Ebene zum wiederholten Mal über die harmonisierte Einstufung von Ethanol als krebserzeugend Kategorie 1A und reproduktionstoxisch Kategorie 1A diskutiert. Eine solche Einstufung hätte massive und nicht gerechtfertigte Beeinträchtigungen für die Verwendung von Ethanol in allen industriellen und gewerblichen Bereichen und im Verbraucherbereich zur Folge ohne das Schutzniveau zu verbessern.In der Vergangenheit hatte sich auch an anderen Stoffbeispielen (z. B. Formaldehyd) gezeigt, dass die 1:1-Übertragung der auf intrinsischen Eigenschaften beruhenden Einstufung in andere Rechtsbereiche, ohne dass Exposition und Risiko betrachtet werden, zu sachlich nicht gerechtfertigten Rechtsfolgen führen kann.BDI-Papier: Gesamtkonzept zum Umgang mit Einstufungen und deren RechtsfolgenEin anderes Stoff-Beispiel, nämlich Formaldehyd, verdeutlicht die Rechtsfolgen einer Umstufung und hat die Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes zum Umgang mit Einstufungen und deren Rechtsfolgen innerhalb des BDI unter Mitwirkung des VCI veranlasst.Mit der Verordnung (EU) Nr. 605/2014 der Kommission vom 05. Juni 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 wurde Formaldehyd als krebserregend in Kategorie 1B und als erbgutschädigend in Kategorie 2 eingestuft. Die neuen Stoffeinstufungen und –kennzeichnungen gemäß dieser Verordnung müssen ab 01. April 2015 angewendet werden. Stoffe, die vor dem 1.12.2014 eingestuft, gekennzeichnet und verpackt sowie in Verkehr gebracht werden, müssen erst zum 1.12.2016 neu gekennzeichnet und umverpackt werden. Die betreffende Frist für Gemische endet am 1.6.2017. Unabhängig von diesen Übergangsvorschriften trat die o. g. Verordnung selbst am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft, somit am 26.06.2014, und löst damit in weiteren Rechtsbereichen unmittelbar verschiedene, teils gravierende Rechtsfolgen aus. Darunter fallen Regelungen in der TA-Luft (Immissionsschutz) und der Gefahrstoffverordnung (Arbeitsschutz), die teilweise nicht oder schwer zu erfüllende Anforderungen festeschreiben, welche allein auf der Einstufung und damit den intrinsischen Eigenschaften von Formaldehyd beruhen, ohne Risikobetrachtungen zu berücksichtigen.Im Rahmen des Konzeptpapiers werden zusätzliche Stoffe in dem Kontext Einstufung betrachtet. Dazu gehört u.a. Ethanol, aber auch Blei, Aluminiumsilikatfasern, Methanol und Quarz. Vor diesem Hintergrund fordert das BDI-Papier eine Abschaffung eines Automatismus von Änderungen in Rechtsbereichen aufgrund der reinen Stoffeinstufung ohne risikoorientierte Betrachtung. Die Entwurfsversion vom 10.12.2014 soll demnächst finalisiert werden.
Erstellt am 9.1.2015