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Eine nahtlose Weiterbeschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus wurde mit dem zum 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz, § 41 Satz 3 SGB VI n.F) ermöglicht.

Um die Beschäftigung nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiter zu erleichtern, ist der Gesetzgeber weiter gefordert, weitere Ergänzungen vorzunehmen, die auch für neu begründete Arbeitsverhältnisse gelten – sei es, weil der Arbeitnehmer bereits aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist oder ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einem neuen Arbeitgeber nach Erreichen der Regelaltersgrenze begründet wird.



Bisherige Gestaltungsmöglichkeiten einer AltersbefristungIn der Vergangenheit bestand häufig Rechtsunsicherheit darüber, wie Arbeitgeber eine vorübergehende Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einem Mitarbeiter gestalten können, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer einzel- oder kollektivvertraglichen Vereinbarung mit Erreichen des Rentenalters endet. Arbeitgebern drohte im Fall der Unwirksamkeit der Befristung das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer nach § 15 Abs. 5 TzBfG i.V.m. § 16 Satz 1 TzBfG.Nach bisheriger Gesetzeslage war eine Altersbefristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von fünf Jahren nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos i.S.d. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem SGB II oder dem SGB III teilgenommen hat.Die Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 2 TzBfG in Form einer bis zu zweijährigen bzw. nach § 11 II. Ziffer 3 Abs. 2 MTV Chemie einer bis zu 48-monatigen sachgrundlosen Befristung besteht nur in Fällen der erstmaligen Beschäftigung eines Arbeitnehmers oder in denen eine vorangegangene Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber mehr als drei Jahre zurückliegt (zeitliche Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbots des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG).Im Regelfall hat das Unternehmen allerdings Interesse an einer nahtlosen Weiterbeschäftigung von eigenen Mitarbeitern nach Erreichen der vereinbarten Altersgrenze.Lagen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 oder 3 TzBfG nicht vor, kam bislang lediglich eine Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG, für die ein Sachgrund erforderlich ist und bei der die Rechtsprechung einen strengen Maßstab anlegt, in Betracht.



Neue RechtslageDer Gesetzgeber hat diese Problematik zum Anlass genommen, im SGB VI und nicht im TzBfG eine Ergänzung vorzunehmen, die ein – auch mehrfaches – Hinausschieben des bereits vereinbarten Beendigungszeitpunkts erleichtert. Die ansonsten geltenden gesetzlichen Hürden gegen eine befristete Verlängerung des Arbeitsverhältnisses werden für diesen Anwendungsfall außer Kraft gesetzt. Für neu begründete Arbeitsverhältnisse gilt die Neuregelung dagegen nicht; insofern bleibt es uneingeschränkt bei der Anwendung des TzBfG.Ein Hinausschieben des bereits vereinbarten Beendigungszeitpunkts nach 41 Satz 3 SGB VI n.F. ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:1. Vereinbarung einer RegelaltersgrenzeDie gesetzliche Neufassung beinhaltet die Einschränkung, dass ein Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts nur möglich ist, wenn die bisherige Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer vorsah, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze endet.Die Regelaltersgrenzen für die jeweiligen Jahrgänge ergeben sich aus § 235 Abs. 2 SGB VI i.V.m. § 35 SGB VI. Nach § 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erreichen Versicherte, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für alle Versicherten ab dem Geburtsjahrgang 1947 wird die Regelaltersgrenze gemäß § 235 Absatz 2 Satz 2 SGB VI stufenweise von 65 Jahren auf 66 Jahre und 10 Monate angehoben. Die neue Regelaltersgrenze von 67 Jahren gilt für alle nach dem 31.12.1963 geborenen Versicherten, § 35 Satz 2 SGB VI i.V.m. § 235 SGB VI.Nach dem Wortlaut des § 41 Satz 3 SGB VI n.F. bedarf es einer Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht. Der Wille des Gesetzgebers, dass derartige Vereinbarungen in Arbeitsverträgen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen von der Vorschrift erfasst sind, wird durch die Gesetzesbegründung, in der auf kollektiv- und individualvertraglich vereinbarte Altersgrenzen Bezug genommen wird, bestätigt. Die Tarifverträge der chemischen Industrie enthalten keine Regelung, die dazu führen würde, dass ein Arbeitsverhältnis (abgesehen von einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis) mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet. Derartige Regelungen sind regelmäßig in Arbeitsverträgen enthalten (zu Formulierungsbeispielen siehe auch BAVC-Handbuch „Arbeitsvertragsgestaltung in der chemischen Industrie“, Stichwort: Ende des Arbeitsverhältnisses, Kündigung, Erreichen der Altersgrenze).Gemäß § 41 Satz 2 SGB VI gilt eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, in dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, auf das Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, der Arbeitnehmer hat die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor Erreichen der vereinbarten Altersgrenze abgeschlossen oder innerhalb dieses Zeitraums bestätigt. Ob eine solche gesetzliche Fiktion als „Vereinbarung“ im Sinne der Neuregelung zu verstehen ist, ergibt sich weder eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist in einer derartigen Konstellation zu empfehlen, bereits vor Erreichen der vereinbarten Altersgrenze eine Befristung auf die Regelaltersgrenze vorzunehmen. Die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nach § 41 Satz 3 SGB VI n.F. kann dann gesondert vereinbart werden.2. Hinausschieben des BeendigungszeitpunktsDer neue Satz 3 des § 41 SGB VI regelt lediglich das Hinausschieben des bereits vereinbarten Beendigungszeitpunkts über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus. Der Begriff des „Hinausschiebens“ meint die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses. Erforderlich ist demnach eine nahtlose Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen, bei einer noch so kurzen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses handelt es sich begrifflich nicht um eine Verlängerung, sondern um den Neuabschluss eines befristeten Vertrages, der von § 41 Satz 3 SGB VI n.F. nicht erfasst wird.3. Vereinbarung während des ArbeitsverhältnissesAußerdem wird vorausgesetzt, dass die Arbeitsvertragsparteien die Verlängerungsvereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, d.h. vor Erreichen der Regelaltersgrenze abschließen. Wird der Arbeitnehmer über die vereinbarte Regelaltersgrenze beschäftigt und die Vereinbarung erst nach Ablauf des zu verlängernden Vertrages getroffen, kommt § 41 Satz 3 SGB VI n.F. nicht zur Anwendung, mit der Rechtsfolge, dass nach § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande kommt. Es empfiehlt sich deshalb anhand der in § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI enthaltenen Tabelle zu ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aufgrund des Erreichens der vereinbarten Regelaltersgrenze endet und rechtzeitig die Verlängerung vorzunehmen.4. Anforderungen an die VerlängerungenDie Dauer der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen der Regelaltersgrenze wird durch die gesetzliche Neuregelung nicht begrenzt.Nach dem Wortlaut des § 41 Satz 3 SGB VI n.F. kann der bereits vereinbarte Beendigungszeitpunkt auch mehrfach hinausgeschoben werden. Eine Beschränkung der Zahl der Verlängerungen, die der Arbeitgeber nach Erreichen der Regelaltersgrenze des Arbeitnehmers vereinbaren kann, gibt das Gesetz ebenfalls nicht vor.5. Inhalt und Form der VerlängerungsvereinbarungDer Gestaltung des Inhalts der Verlängerungsvereinbarung sind Grenzen gesetzt. Ausweislich der Gesetzesbegründung bleiben die sonstigen im jeweiligen Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen von der Neuregelung unberührt. Rechtlich zulässig ist nur die Veränderung der Vertragslaufzeit. Die Arbeitsbedingungen dürfen nicht in oder zeitgleich mit der Verlängerungsvereinbarung geändert werden. Vielmehr muss der ursprüngliche Arbeitsvertrag oder der Anschlussvertrag geändert werden. Zwischen der Vertragsverlängerung und der Änderungsvereinbarung sollte ein angemessener zeitlicher Abstand eingehalten werden. Ansonsten handelt es sich nicht um ein Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts, sondern um den Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrages, für den § 41 Satz 3 SGB VI n.F. nicht gilt.Sowohl die erstmalige als auch eine erneute befristete Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus sollte schriftlich abgefasst werden.FormulierungsbeispieleLiegt eine wirksame Befristung auf die Regelaltersgrenze vor (zu Formulierungsbeispielen siehe auch BAVC-Handbuch „Arbeitsvertragsgestaltung in der chemischen Industrie“, Stichwort: Ende des Arbeitsverhältnisses, Kündigung, Erreichen der Altersgrenze), könnte eine erstmalige Verlängerungsvereinbarung im Sinne des § 41 Satz 3 SGB VI n.F. wie folgt gestaltet werden:In Abänderung des Arbeitsvertrages vom… wird Folgendes vereinbart:I.  Die zwischen den Parteien vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze, d.h zum…, wird gemäß § 41 Satz 3 SGB VI n.F. bis zum… hinausgeschoben.II. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf dieses Tages, ohne dass es einer Kündigung bedarf.Eine weitere Verlängerungsvereinbarung könnte folgendermaßen formuliert werden:Die Verlängerungsvereinbarung vom… wird wie folgt geändert:I.  Die zwischen den Parteien vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum… wird gemäß § 41 Satz 3 SGB VI n.F. bis zum… hinausgeschoben.II. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf dieses Tages, ohne dass es einer Kündigung bedarf.Die Vertragsverlängerung stellt eine Vertragsänderung dar. Bisher war es allgemein üblich, Vertragsänderungen mit der Klausel abzuschließen, dass „im Übrigen alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages unberührt bleiben“. Von dieser Formulierung ist im Anschluss an eine Entscheidung des BAG (Urteil vom 18.11.2009 – 4 AZR 514/08) jedenfalls dann dringend abzuraten, wenn der Arbeitsvertrag eine Bezugnahmeklausel enthält. Die Verwendung der Abschlussklausel im Rahmen einer Vertragsänderung nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 führt dazu, dass eine in einem „Altvertrag“ vereinbarte Bezugnahmeklausel nach den strengeren Maßstäben der AGB-Kontrolle für „Neuverträge“ auszulegen ist und nicht mehr als Gleichstellungsabrede ausgelegt werden kann (vgl. Ausführungen im BAVC-Handbuch „Arbeitsvertragsgestaltung in der chemischen Industrie“, Stichwort: Vertragsänderung).